Vom Wert der (Selbst-)Reflexion im Leben und im Coaching – und ein etwas anderer Jahresrückblick

Im lösungsorientierten Coaching haben wir selten Verwendung für die Vergangenheit. Oder nur um frühere Erfolgserlebnisse zu untersuchen und Ressourcen zu finden, die einem für das aktuelle Weiterkommen hilfreich sein können. Im Coaching arbeite ich mit meinen Klienten zukunftsorientiert, zielorientiert. Wohin soll die Reise gehen, und wie wird es (anders) sein, wenn du dort angekommen bist? Welche Fähigkeiten wirst du dann zur Verfügung haben?

Wie können wir – im Coaching und im Leben – auf Vergangenes schauen, ohne in (Selbst-)kritik oder Wehmut zu verfallen, ohne Ursachen von Problemen lange zu analysieren oder Schuldige zu suchen? Wie können wir die Vergangenheit konstruktiv betrachten und Erkenntnisse gewinnen, die für den weiteren Weg nützlich sind?

Ressourcenorientierte Reflexion, gerne mit einem Coach oder Sparringspartner, oder mit vorbereiteten Reflexionsfragen, das ist meine liebste Art Rückschau zu halten. Im Beruf und privat.

Eine persönliche Frage an dich:

Wann, wie oft reflektierst du? Täglich, wöchentlich, monatlich, jährlich? Im Büro während der Computer herunter fährt? Auf dem Heimweg, beim gemeinsamen Abendessen, vor dem Schlafen gehen?

Mit wem reflektierst du? Allein, oder zusammen mit einem Arbeitskollegen, dem Chef (weil er zum obligatorischen Mitarbeitergespräch eingeladen hat), mit deinem Partner/Partnerin oder mit einem Coach?

Und wie machst du das? Verwendest du Aussagen wie „das war ein guter/schlechter Tag, Kurs, Gespräch? Brauchst du eine 10er Skala oder eine Smiley Skala? Verwendest du gezielte Reflexionsfragen, Coachingfragen? Läuft es nur in deinem Kopf ab oder machst du Notizen, schreibst du etwas nieder, visualisierst du, hast du ein Tagebuch oder ein Bullet Journal?

Vielleicht antwortest du das Gleiche wie ich: es ist abhängig von der Wichtigkeit des Themas und ob ich mich diesbezüglich weiter entwickeln will.

Aber egal ob ich schon viele Jahre Führungskraft, Fachfrau oder Coach bin, das Reflektieren lässt mich lebendig bleiben, schärft meinen Fokus, schafft Erkenntnis, macht Veränderung sichtbar und fördert Professionalität. Darum ist für mich Reflexion, nicht nur im Coaching sondern auch Privat, ein wertvolles Tun. Zu dem ich dich hier gerne inspirieren möchte :-).

Berufliche Reflexion in meinen Anfängen als Ausbilderin

Als noch relativ neue Ausbilderin habe ich während einem ganzen Jahr alle meine Kurse reflektiert (Total ca. 80 Kurse). Dazu hatte ich ein Formular mit allgemeinen Informationen (Kursthema, Anzahl Teilnehmer, Lernziele, verwendete Methoden) sowie 3 Reflexionsfragen vorbereitet. Diese habe ich mir bei Kursende, noch ehe ich den Seminarraum verlies, schriftlich beantwortet.

Das hatte ein enormes Bewusstseinswachstum und viele Erkenntnisse zur Folge: was mache ich, wie mache ich es, welche Annahmen liegen dahinter, welches Ziel verfolge ich damit. Damit konnte ich nicht nur die Methodik und Didaktik laufend optimieren, sondern ich habe an persönlichen Fähigkeiten und an Sicherheit gewonnen. Am Ende des Jahres hatte ich ein halbes Buch zusammen, das einen interessanten Rückblick, und viele Entwicklungsschritte hin zu mehr Professionalität und Selbstsicherheit dokumentierte.

Die 3 Reflexionsfragen

Dieses Reflektieren habe ich beibehalten. Nun nicht mehr mit einem A4-Formular, aber mit den gleichen 3 Reflexionsfragen. Denn eigentlich braucht es dazu nur eines: Zeit. Aber vielleicht gar nicht so viel wie man erwarten würde. Für diese 3 Reflexionsfragen benötige ich max. 10 Minuten, und diese Zeit finde ich immer; wenn es mir wichtig ist.

  1. Absicht: Fokus auf Gelingendes, Fähigkeiten, Ressourcen: Was ist mir heute speziell gut gelungen?
  2. Absicht: Fokus auf Wirksamkeit, Effektivität, Nützlichkeit: Was konkret, das ich gesagt, gemacht, nicht gesagt, nicht gemacht habe, war hilfreich/nützlich für meine Teilnehmer?
  3. Absicht: Fokus auf Entwicklung, Optimierung, Fortschritt: Was würde ich nächstes Mal anders machen?

Dank dem Coaching Logbuch von Solutionsurfers, https://www.solutionsurfers.ch/product-page/logbuch-coaching (das noch viel mehr ressourcenorientierte Reflexionsfragen enthält) beantworte ich mir diese Fragen schriftlich direkt im Anschluss an das Coaching. Vor dem nächsten Coaching lese ich diese Antworten und so ist mir diese Nachbearbeitung gleichzeitig nützlich für die Gesprächsvorbereitung. Nach dem Coaching ist vor dem Coaching 🙂

Coaching Logbuch für die Reflexion
Coaching Logbuch

Reflexion im Coaching und im Mitarbeitergespräch

Diese Art zu Reflektieren und auf Vergangenes zu schauen, Ressourcen zu finden und Ideen für nächste Handlungsschritte zu erhalten, schätzen auch meine Coachees. Sich Zeit für das Innehalten zu nehmen, aus der Helikopterperspektive zu schauen und Bestärkung und Motivation für die nächsten Schritte zu finden. Diese Zeit in sich und in seine Entwicklung zu investieren, schafft neben mehr Zuversicht und Tüchtigkeit auch mehr (Lebens-)Qualität.

Und anstatt in einem Mitarbeitergespräch nur nach den erreichten Zahlen und Zielen zu fragen, könnte man neugierig fragen: was ist dir in dieser Woche speziell gut gelungen, wie hast du das geschafft, und was würdest du nächste Woche anders machen?

Als Coach bin ich in der glücklichen Lage, viele Coaches zu kennen, und je nach Thema lasse ich mir gerne von einer Kollegin oder auch von einem externen Coach helfen. Denn egal wie gründlich ausgebildet und mit zig Jahren Erfahrung, die eigenen blinden Flecken sieht man nicht. Das eigene Denken kreist oftmals um die gleichen Punkte, die Objektivität kann je nach Thema zu kurz kommen, und der Perspektivenwechsel ist oftmals schwierig vorstellbar. Und zu all diesen Gründen, kommen dann auch noch die notwendige Verbindlichkeit und konstruktive Hartnäckigkeit hinzu.

Bist du selber auf der Suche nach einem persönlichen Coach? Dann interessiert dich vielleicht mein Angebot: Link

Und wie reflektiere ich privat?

Ich schreibe schon viele Jahre Tagebuch. Nur wenige Zeilen pro Tag. Mein Favorit sind die Kalender von Paulo Coelho, einer meiner Lieblingsschriftsteller, gespickt mit Zitaten aus seinen Büchern und einer wunderschönen Visualisierung.

Kalender Jahresrückblicke
Jahresrückblicke

Vor 3 Jahren bin ich dann zu Sketchnotes und Bullet Journaling gekommen, wo sich das Praktische mit dem Kreativen verbindet. Im Journal beantworte ich mir Fragen wie, was hat mich heute speziell gefreut, wofür bin ich dankbar, welche Herausforderungen gab es und wie habe ich sie gelöst, und gab es evt. Einsichten. Zusätzlich verwende ich einen Tracker, wo ich Wochen- und Monatsziele festhalte.

Der etwas andere Jahresrückblick

Dieses Jahr habe ich etwas Neues probiert. Zusammen mit Judith Peters und ihrer JahresrückBLOG Challenge habe ich zusammen mit hunderten von Menschen in 20 Tagen meinen Jahresrückblick geschrieben.

Was es mir gebracht hat, oder die Reflexion über die andere Art mein Jahr zu reflektieren:

  • Ich war selbst erstaunt, wie viel in ein einziges Jahr passt! Das laaange scannen in meiner Fotobibliothek, das Blättern im Tagebuch und BUJO haben viiiel Material geliefert und schon Vergessenes in Erinnerung gebracht
  • Die Entscheidung bezüglich Themenauswahl: was ist persönlich, was bleibt privat? Und schreibt man nur über die rosaroten Geschichten, oder haben Rückschläge auch Platz?
  • Der Schreibprozess: Eine weitere Auseinandersetzung mit dem Erlebten und ja, es wurde auch emotional, viele Situationen wurden wieder erlebt, geweint und gelacht
  • Und schlussendlich das Veröffentlichen als Blog auf meiner Homepage, wozu Leser einen Kommentar schreiben können. Sichtbar sein, Schwieriges zeigen, Mensch sein.
  • Diese gründliche Art mein Jahr zu reflektieren hat viel Tiefe gebracht, Anerkennung für meinen Weg und auch Bestärkung darin, dass es sich immer lohnt auf sein Herz zu hören.
  • Das Veröffentlichen des Blogs hat eine zusätzliche Verbindlichkeit geschaffen. Im Selbstcoaching kann ich wählen, welche Fragen ich mir stelle und wie tief, umfassend ich sie beantworte. Wenn ich mich coachen lasse, fragt mein Coach nach, ist hartnäckig, öffnet für weitere Perspektiven, usw. ich kann da nicht ausweichen. Das Veröffentlichen/Teilen mit einem Leser hatte etwas von dem Effekt mit einem Sparringspartner.
  • Und was würde ich nächstes Mal anders machen?
    • Ich würde früher mit dem Schreiben anfangen, und schon monatlich eine kurze Reflexion machen, Bilder dazu sammeln und in einem Entwurf speichern.
    • Die Frage ist allerdings, ob ich wieder einen JahresrückBLOG schreiben würde? Ich weiss es nicht. Es war eine tolle Erfahrung und hat mir den Wert des Reflektierens einmal mehr bewusst gemacht (und mich zu diesem Blogartikel inspiriert). Mein Tun weiterhin reflektieren, das werde ich auf jeden Fall beibehalten, ob die private Rückschau auch öffentlich sein muss/wird, hängt von der Wichtigkeit ab. Will ich damit etwas bewirken, vielleicht andere inspirieren auf ihrem Weg und in ihrem Lernen, dann ja.

Vielleicht hast du ja Lust, die eingangs gestellte(n) Frage(n) zu beantworten und evt. Dein bestes Reflexionstool zu teilen? Ich würde mich freuen.

Mein JahresrückBLOG findest du hier: https://www.sandrasimonhenriksen.com/jahresrueckblick-2023/

Inzwischen habe ich noch ein neues Blogformat kennen gelernt: 12von12. 12 Bilder zum 12. Tag eines Monats. Für die, die nicht so viel schreiben und lesen mögen: https://www.sandrasimonhenriksen.com/12-von-12-am-12-januar-2024/

Fazit: Wie gelingt Reflexion

Zeit und Raum: 10 Minuten können ausreichend sein. Reflexionsarbeit regelmässig einplanen. Ungestört und präsent sein.

Objektivität: konkrete Situationen, beschreiben und nicht bewerten.

Zusammen mit einem Coach/Sparringpartner oder vorbereiteten Reflexionsfragen.

Verbindlichkeit: das Reflektierte festhalten (Text, Skala, Tracker, Sketchnotes) und die nächsten Schritte planen

Meiner Meinung nach macht das WIE den wesentlichen Unterschied: Ressourcen– statt problemorientiert. Aber das ist nicht nur ein Tool, sondern eine persönliche Haltung. Und vielleicht Thema für einen nächsten Blogartikel.

Problem talk creates problems.
Solution talk creates solutions.

Steve de Shazer

Veröffentlicht am

2 Kommentare

  1. Hey sandy…
    Ich bin begeistert das was du machst. All deine Texte lese ich mit voller Hingabe… sie sind verständlich, lustig und vorallem ECHT!!!
    Lieben gruss von deiner Cousine Dany

    1. Liebi Dany
      Vielen herzlichen Dank für dein liebes Feedback 🙂 !! Das freut mich riesig und motiviert mich, weiter zu schreiben.
      Ganz liebe Grüsse zurück und weitershin viel Spass beim Lesen.
      Sandy

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